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Wie lässt sich die Transformation von Unternehmensimmobilien beschleunigen? Prof. Dr. Andreas Pfnür im Gespräch

Eine aktuelle Studie des ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.) untersucht die Rolle der öffentlichen Hand bei der immobilienwirtschaftlichen Transformation deutscher Unternehmen.

Prof. Dr. Andreas Pfnür, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Bau- und Immobilienwirtschaft am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt, hat die Untersuchung wissenschaftlich betreut. Im Interview erläutert er ihre Ergebnisse.

Herr Prof. Dr. Pfnür, was war der Anlass für Ihre Studie?

Unsere dritte Studie im Auftrag des ZIA setzt auf den Erkenntnissen der Vorgängeruntersuchung von 2019 auf. Damals haben wir nach den Ursachen für die schleppende Umsetzung der allgemein als notwendig erkannten immobilienwirtschaftlichen Transformation gefragt. Dabei erwies sich – für uns in diesem Ausmaß überraschend – die öffentliche Hand als bedeutender Akteur, von dessen Kooperationsfähigkeit das Gelingen der Anpassung wesentlich abhängt. Darum haben wir die aktuelle Studie, bestehend aus qualitativen Interviews und einer großangelegten Befragung, vor allem auf die Rolle des öffentlichen Sektors bei der Planung und Umsetzung geeigneter Maßnahmen ausgerichtet.

Können Sie zunächst kurz erklären, was Sie mit immobilienwirtschaftlicher Transformation bei Unternehmen meinen?

Vereinfacht formuliert geht es um die Anpassung der unternehmenseigenen Immobilien an sich verändernde Lebens- und Arbeitswelten. Der Anpassungsdruck aus den Megatrends demografischer Wandel, Urbanisierung, Digitalisierung, Globalisierung und Nachhaltigkeit ist enorm. Einen solchen Umbau haben wir in Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg, zumindest aber seit 1990 nicht mehr realisieren müssen. Wenn Unternehmen diesen Strukturwandel erfolgreich bewältigen wollen, dann verlangt das eine Runderneuerung der unternehmenseigenen Immobilien mit den entsprechenden Investitionen in Neubau, Umbau, Sanierung oder Umnutzung.

Wie hoch ist der Anteil von Unternehmensimmobilien am gesamten Immobilienmarkt?

Unter Unternehmensimmobilien verstehen wir die betrieblich genutzten Immobilien der Unternehmen. Sie machen dem Marktwert nach ungefähr ein Drittel der gesamten Immobilienbestände Deutschlands aus und nehmen eine Fläche von rund 3,1 Mrd. Quadratmeter ein. Unserer Befragung zufolge sollen knapp zwei Drittel der von den befragten Unternehmen genutzten Flächen in den nächsten zehn Jahren angepasst werden, fast 40 Prozent davon in eigenen Projektentwicklungsmaßnahmen.

 

Wo sehen die befragten Unternehmen die Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand?

Vorweg möchte ich klarstellen, dass die zögerliche Transformation viele Ursachen hat – auch in den Unternehmen selbst und in den politischen wie sozialen Rahmenbedingungen, mit denen wir leben. Viele Unternehmen empfinden die Projektierung und Umsetzung von Vorhaben als herausfordernd, an denen Behörden als Entscheidungsträger Anteil haben. Sie nennen vor allem Verzögerungen durch ineffiziente Planungs- und Genehmigungsprozesse, wodurch sich die Projektlaufzeiten im Durchschnitt um 20-25 Prozent verlängern. Das hat steigende Kosten zur Folge, wenn nicht sogar einen Abbruch des Projektes. Hinzu kommen mögliche Schäden, wenn ein Unternehmen durch solche Umsetzungsprobleme einen Wettbewerbsnachteil erleidet.

 

Auch private Bauherren müssen manchmal lange auf ihre Baugenehmigung warten. Wo liegt der Unterschied?

Bei Unternehmensimmobilien hängt deutlich mehr von der gelingenden Umsetzung eines Projekts ab. In erster Linie geht es natürlich um Arbeitsplätze, die geschaffen oder erhalten werden sollen. Die schnelle Transformation strahlt aber auf den gesamten Standort und seine Wettbewerbsfähigkeit ab. Unternehmenszuzüge oder -abwanderungen sind maßgeblich von den Rahmenbedingungen vor Ort beeinflusst. Eine effektive Unterstützung des Strukturwandels kann also zugleich die Attraktivität einer gesamten Wirtschaftsregion fördern.
Hinzu kommt, dass Unternehmen oft mit der Veränderung der eigenen Immobilie auch Verbesserungen der lokalen Infrastruktur vornehmen oder mitfinanzieren. So wird zugleich der Stadtumbau erleichtert und beschleunigt, weil beispielsweise ein Unternehmenskindergarten, eine neue Haltestelle für den ÖPNV oder eine öffentliche Grünfläche auf ehemaligem Betriebsgelände entstehen.

 

Welche Optimierungsvorschläge leiten Sie aus der Befragung ab?

Es gibt eine Reihe von konkreten Ansatzpunkten für Reformen, übrigens auch unter aktiver Beteiligung der Unternehmen. Zwei Drittel unserer Befragten erhoffen sich verbesserte Kommunikation von und mit Behörden. Potenzial sehen wir da besonders in den „runden Tischen“, die sich den anstehenden Themen widmen: Wo finden wir genügend Bauland, wer bekommt es, wie dauerhaft sind entsprechende politische Entscheidungen und viele Fragen mehr. Ganz oben auf der Liste steht der Wunsch der Unternehmen nach „Single-Window“-Prozessen mit einheitlichen Ansprechpartnern. Diese sollen das gesamte Vorhaben kennen und seine Bearbeitung aufseiten der öffentlichen Hand koordinieren.

 

Welches Potenzial liegt in der weiteren Digitalisierung?

Alle Interviewten haben die Digitalisierung bau- und immobilienwirtschaftlicher Prozesse als starken Hebel zur verbesserten Effizienz der Zusammenarbeit ausgemacht. Es gibt eine Vielzahl an Handlungsoptionen zur Digitalisierung öffentlicher Stellen bei Bau- und Immobilienangelegenheiten. Die Vorschläge umfassen die Digitalisierung der Kommunikation, des Dokumentenmanagements und vor allem der einschlägigen Prozesse im Vollzug des Bau- und Immobilienrechts. Erfahrungen aus Pilotprojekten deutscher und internationaler Verwaltungen zeigen das hohe Potenzial der Digitalisierung zur Steigerung der Produktivität durch Kostensenkung, Erhöhung der Arbeitsleistung, Beschleunigung von Prozessen und Verringerung der Fehlerraten. Der erste Lockdown im Frühjahr und auch die derzeit neu erlassenen Kontaktbeschränkungen haben die Möglichkeiten in der Digitalisierung dieser Bereiche allen Beteiligten noch einmal deutlich gemacht.
Übrigens hat unsere Befragung auch gezeigt, dass die Unternehmen für die bestmögliche Unterstützung ihrer Unternehmen im Durchschnitt mehr als 10 Prozent der Projektinvestitionskosten in die Hand nehmen würden. Das ist aus meiner Sicht ein klares Commitment für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prof. Dr. Pfnür!

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