Blog

“Die Stadtplanung muss den Klimawandel einbeziehen.” Apl.-Prof. Dr. Steffen Bender im Gespräch

Der Klimawandel macht vor dem Lebensraum Stadt nicht Halt. Doch Stadtplaner, Bauherren und Investoren können ihm aktiv entgegenwirken. Apl.-Prof. Dr. Steffen Bender, Experte für Klimafolgen, erläutert die Möglichkeiten.

Herr Prof. Dr. Bender, stimmt es, dass sich der Klimawandel in Städten besonders stark bemerkbar macht?

Ja, die Folgen des Klimawandels wie Hitzeperioden und Überflutungen nach Starkregenereignissen werden von der Stadtstruktur, den Untergrundeigenschaften und dem Relief verstärkt. Stadtplaner müssen daher heute und zukünftig die sich verändernden klimatischen Verhältnisse und deren unmittelbaren Folgen für die Stadt mitdenken. Der globale Klimawandel kann sich auf der regionalen Skala mit höheren Durchschnittstemperaturen, Verschiebungen der Niederschlagsmengen hin zu trockeneren Sommer- und feuchteren Wintermonaten sowie häufigeren und stärkeren Extremwetterereignissen bemerkbar machen. Lokale Einflüsse können diese Folgen noch verstärken. Wo Häuser dichter stehen, Oberflächen weitestgehend versiegelt sind und Grün- und Wasserflächen fehlen, liegen die Temperaturen im Vergleich zum Umland um mehrere Grad Celsius höher. Das kann im Sommer den entscheidenden Unterschied zwischen „ziemlich warm“ und „zu heiß“ ausmachen.

Was können wir dagegen tun?

Wir wissen heute, dass wir das Mikroklima in einzelnen Stadtteilen oder gar Straßenzügen aktiv beeinflussen können. Die Möglichkeiten sind vielfältig und reichen von gezielter Begrünung über durchlässige Straßenbeläge bis zur Entkernung von Blockinnenraumbereichen, also bis zum Abbau von Gebäudebeständen. Farben spielen eine wichtige Rolle – bei Autos wie bei Fassaden und Straßen – aber auch die kluge Platzierung von Glasflächen und die richtige Wahl der Bepflanzung zur Verschattung. Eine Kommune benötigt dafür in der Regel Expertenrat, denn es müssen viele unterschiedliche Fachrichtungen und Fachdienste eingebunden sein, um bestmögliche Ergebnisse nicht nur lokal, sondern für die gesamte Kommune zu erzielen. Nicht zufällig vertreten die rund 80 Kolleginnen und Kollegen am GERICS ungefähr 30 Wissenschaftsdisziplinen, und selbst wir arbeiten in Netzwerken mit externer Unterstützung, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden.

Wie ist das Procedere? Gibt es ein standardisiertes Verfahren?

Dafür sind die Rahmenbedingungen zur Auswahl und Umsetzung von Maßnahmen zur Klimaanpassung vor Ort zu unterschiedlich. Wir empfehlen Kommunen, sich zunächst einmal den drängendsten und offensichtlichsten Themen zu widmen: Wo sind die größten Schäden bei Starkregenereignissen entstanden, wo sind Feuerwehreinsätze wegen Überflutungen am häufigsten, wo kommt der Notarzt bei Hitzeperioden besonders oft zum Einsatz. Natürlich kann man sich anschauen, was andere Städte tun, um daraus eigene Ideen abzuleiten. Aber unsere Erfahrung zeigt, dass die wenigsten Lösungen 1:1 übertragbar sind und dafür ein ähnlich hoher Aufwand zu betreiben ist wie für eine eigene Entwicklung.

 

Apropos Aufwand: Wie rechnet man so eine Klimaanpassung eigentlich?

Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels lassen sich ökonomisch nur schwer bewerten. Am ehesten geht es über die ausbleibenden Schäden, deren Behebung ohne entsprechende Maßnahmen viel Geld gekostet hätte. Das gesteigerte Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger und die positiven Effekte auf das Stadtklima und die damit verbundene Verbesserung der Gesundheit lassen sich dagegen nur schwer beziffern.

 

Wie, wenn nicht über finanzielle Argumente, kann man für solche Maßnahmen werben?

An der Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen sind zahlreiche Akteure beteiligt. Gute Kommunikation und langer Atem sind hier wesentliche Erfolgsfaktoren, sei es um Konflikte und Synergien frühzeitig zu erkennen oder um die Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen.
Andererseits wissen Kommunen um ihre Vorbildfunktion, die sie mit beispielhafter Planung von Gebäuden und Flächen wahrnehmen. Sind dann auch noch entsprechende Anreize gesetzt, folgen private und gewerbliche Bauherren auch aus Imagegründen nach. So entsteht ein wirksames Miteinander aus öffentlicher und privater Initiative.

 

Welchen Beitrag können Immobilien konkret zu einem angenehmen Stadtklima leisten?

Jedes einzelne Gebäude und Grundstück kann einen Beitrag zur Klimaanpassung leisten. Fassaden- oder Dachbegrünung, Gärten mit Bäumen und der Verzicht auf Flächenversiegelung gehören dazu, aber auch die Reduzierung von Abwärme durch die Wahl geeigneter Formen, Materialien und Farben. Die Positionierung von Gebäuden, Bäumen oder hohen Hecken im Ensemble hat Auswirkungen auf die Durchlüftung und Verschattung von Quartieren oder Straßenzügen. Passend gewählt kann dadurch die Aufheizung der Objekte – innen wie auch außen – vermindert werden.

 

Was sind die größten Fallstricke bei der Klimaanpassung?

Es reicht nicht, eine Maßnahme zu entwickeln und umzusetzen. Um eine Kommune „klima-fit“ zu machen, braucht man ein ganzes Bündel davon. Außerdem muss man die einzelnen Anpassungen auch hegen und pflegen. Zugewachsene Regenrückhaltebecken oder vermüllte Abflussrinnen machen eine gute Idee schnell zunichte. Nicht zuletzt müssen Sie immer bereit sein, getroffene Entscheidungen zu überdenken und neue Kompromisse zu finden. An meinem Wohnort sind zur Verbesserung des Stadtklimas viele Eichen gepflanzt worden, die mit dem Klima in der Zukunft gut zurechtkommen. Leider haben wir uns damit aber auch die Eichenprozessionsspinner und die damit verbundenen Probleme eingehandelt. Jetzt heißt es neu nachdenken.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prof. Dr. Bender!

Kein Kommentar vorhanden

Kommentieren Sie unseren Beitrag

*