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Zyklisch grüßt der Wohnungsmangel – Ölpreiskrise ab 1975

Wir leben in Zeiten des allgemeinen Wohnungsmangels. Im historischen Kontext ist dies jedoch nichts Ungewöhnliches, durchlebte der deutsche Wohnimmobilienmarkt doch immer Phasen des Auf- und Abschwungs. Schaut man sich die Wohnimmobilienpreis-, Gewerbeimmobilienpreis- und Büromietindizes in Abbildung 1 an, so sind innerhalb der vergangenen 40 Jahre entsprechende Bewegungsmuster in Teilsegmenten des Immobilienmarktes zu erkennen. Außerdem zeigen sich viele Parallelen zur aktuellen Situation. Genauso wie heute war z. B. im Jahr 1975 die Inflationsrate – bedingt durch die damalige Ölpreiskrise – höher als das allgemeine Zinsniveau. Wer sein Geld zur Bank brachte, musste über die Zeit einen Wertverlust hinnehmen, da die Inflation die Zinserträge zunichte machte. Daher hoben viele Menschen ihr Geld ab und investierten es u. a. in Immobilien.

 

Abbildung 1: Immobilienzyklen in Deutschland (ab 1990 inkl. Ostdeutschland)

Quelle: bulwiengesa, Deutsche Bundesbank, Reale Preisindizes (deflationiert mit der Basis 1990=100)

 

Infolge des Ölpreisschocks und der damit verbundenen hohen Arbeitslosenquote kurbelte der Staat die Baubranche mit dem „Programm zur Stützung von Bauinvestitionen“ massiv an. Unterstützt wurde die staatliche Intervention u. a. durch eine Grunderwerbssteuerbefreiung bei Ein- und Zweifamilienhäusern. Ferner wurde die degressive Abschreibung im Wohnungsbau eingeführt und der Soziale Wohnungsbau stärker gefördert. Obendrein vergab man für die Sanierung und Modernisierung von Wohnungen staatliche Zuschüsse, um Energieeinsparungen im Wohnungsbestand zu erzielen. Insgesamt trugen die wohnungspolitischen Maßnahmen zu einer starken Belebung der Konjunktur und damit des Wohnimmobilienmarktes bei. Vor dem Hintergrund der Ölpreiskrise eine logische Konsequenz, doch auch im Jahr 2018 dürften viele dieser Handlungen bekannt klingen.

 

Auch die Ausführungen des damaligen Sachverständigenrates weisen überaus interessante Parallelen zur heutigen Zeit auf. Bezogen auf die energiesparenden Investitionen in Wohnhäusern gab er 1977 zu bedenken: „Es ist überhaupt nicht zu sehen, […] Energie gerade durch wärmedämmende Anlagen in Wohnbauten zu sparen und solche Energieeinsparung durch mehrere Subventionsmilliarden zu fördern.“. Ferner beobachtete er im Jahr 1978: „Die Aufträge […] waren in den letzten Monaten in einigen Gemeinden so umfangreich, dass es regional zu einer Überhitzung im Baugewerbe gekommen ist.“. Im Jahr 1982 kam der Sachverständigenrat zu dem Urteil, dass das Rentabilitätskalkül der Investoren und der Kapitalgeber in beträchtlichem Umfange durch Subventionen und andere Interventionen beeinflusst wird. Die wirkliche Knappheit des Gutes Wohnung sei nicht erkennbar. Er wies im Jahr 1984 darauf hin, dass die Preissteigerungen nicht voll auf die Baupreise zurückgingen, sondern auch auf die verschärften Bauvorschriften.

 

Letztlich fand der Immobilienpreisboom durch steigende Hypothekenzinsen, hohe Baukosten und das Auslaufen der Konjunkturprogramme ein jähes Ende. Der deutsche Wohnimmobilienmarkt kühlte sich merklich ab. So sanken z. B. die Baufertigstellungen zwischen 1980 und 1983 um 12,3% und die Zahl der Beschäftigten im Baugewerbe reduzierte sich um 12,6%.

 

Die Ölpreiskrise hat eindrucksvoll gezeigt, welche Auswirkungen geopolitische Ereignisse und wirtschaftspolitische Entscheidungen auf nationale und letztlich lokale Immobilienmärkte haben. Der Staat sowie die Geldpolitik nehmen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der Preise ein. Darüber hinaus beeinflussen Zeitgeist und Ideologien, z. B. ökonomische oder ökologische, die eingeschlagenen Lösungswege. Die Wohnungs- und die Geldpolitik täten gut daran, historische Entwicklungen stärker zu berücksichtigen, ganz nach André Malraux: „Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern“.

 

Zum Weiterlesen

Jahresgutachten des Sachverständigenrates

 

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