Der Wohnimmobilienmarkt im Fokus – Prof. Dr. Steffen Sebastian im Gespräch
Von DZ HYP In AllgemeinProf. Dr. Steffen Sebastian ist Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung (Real Estate Finance) an der IREBS International Real Estate Business School der Universität Regensburg. Zudem ist er Forschungsprofessor am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim. Seit 2017 steht er als amtierender Präsident der European Real Estate Society (ERES) vor.
Dr. Norbert Hiller: Herr Professor Sebastian, der deutsche Wohnimmobilienmarkt entwickelt sich schon seit Jahren ausgesprochen dynamisch. Sehen Sie darin eine ungesunde Entwicklung?
Prof. Dr. Steffen Sebastian: Es besteht schon seit langem die Gefahr einer Immobilienpreisblase in Deutschland. Aus ökonomischer Sicht lassen sich die Preiseentwicklungen in einigen Regionen sicherlich nicht mehr rechtfertigen. Eine Preisblase wäre allerdings erst dann gegeben, wenn das Preisniveau drastisch absacken würde und die Wahrscheinlichkeit hierfür halte ich weiterhin für gering. Das Zinsniveau müsste drastisch ansteigen, was mit Sicherheit nicht passieren wird, selbst bei einer konjunkturellen Erholung des EURO-Raums. Somit sind ein Zins- und damit ein Preisschock eher nicht zu erwarten.
Dr. Norbert Hiller: Da die EZB bislang lediglich die Konsumgüterpreisinflation bei ihren Zinsentscheidungen berücksichtigt hat, halten Sie es für sinnvoll, z. B. die Immobilienpreisinflation in den Zielkatalog mitaufzunehmen?
Prof. Dr. Steffen Sebastian: In der Tat sollte man die Immobilienpreisinflation berücksichtigen. Schließlich haben die Konsumenten auch die Möglichkeit, Investitionsgüter wie Immobilien zu kaufen und damit für das Alter vorzusorgen. Deshalb sollte man die Inflationsraten auf den Vermögensgütermärkten nicht völlig außer Acht lassen. Ansonsten werden inflationäre Tendenzen auf bestimmten Teilmärkten ignoriert, obwohl sie ebenfalls das Ergebnis der aktuellen Geldpolitik sind. Natürlich beobachtet die EZB entsprechende Entwicklungen, ich habe jedoch nicht den Eindruck, dass dies einen Einfluss auf Zinsentscheidungen hat. Hier ist das Mandat der Zentralbank sicherlich noch ausbaufähig.
Dr. Norbert Hiller: Was raten Sie jungen Haushalten, welche eine Immobilie kaufen wollen? Zuschlagen oder noch warten?
Prof. Dr. Steffen Sebastian: Grundsätzlich gilt: Wer eine Immobilie gefunden hat, dessen Finanzierung er sich leisten kann, der sollte nicht warten. Die Übertreibungstendenzen auf den Immobilienmärkten können nahezu unbegrenzt weitergehen. Ob die Preise weiter steigen oder fallen, kann kein Wissenschaftler genau vorhersagen. Mit der Zeit sinken zwar die prognostischen Unsicherheiten, aber es vergeht auch Warte- und damit Lebenszeit, weshalb die Haushalte die Entscheidung unabhängig von bestimmten Erwartungen treffen sollten. Wer etwas kauft, muss damit rechnen, dass die Preise auch mal sinken können. Aber dadurch wird der Wohnwert der Immobilie im Rahmen der Selbstnutzung ja nicht schlechter.
Dr. Norbert Hiller: Raten Sie Investoren zum Kauf von Immobilien?
Prof. Dr. Steffen Sebastian: Bei Anlageentscheidungen sieht es etwas anders aus. Zu überlegen ist vor allem, ob man sich das Klumpenrisiko einer Immobilie im Portfolio zumuten möchte und ob man sich es leisten kann. Wenn es zu Mietausfällen oder starken Preisrückgängen kommt, muss man vermögend genug sein, um derartige Schieflagen überstehen zu können. Hier muss man abwägen: Werden die Preise noch weiter ansteigen oder ist der Zenit bereits erreicht?
Dr. Norbert Hiller: Die Politik will die Kreditvergabe weiter einschränken. Würden Sie sagen, dass derzeit zu wenig oder zu viel reguliert wird?
Prof. Dr. Steffen Sebastian: Es wäre sinnvoll, für derartige Entscheidungen erstmal die Datengrundlage zu schaffen. Ich kann auf Ihre Frage keine Antwort geben. Selbst die Bundesbank kann bei der jetzigen Datenlage nicht genau sagen, ob die Regulierung momentan ausreichend ist. Immobilien entsprechen rund 80% des Volksvermögens der Bundesrepublik Deutschland und vor nicht einmal 10 Jahren wurde die größte weltwirtschaftliche Krise seit den 1930er Jahren durch Immobilienmarktverwerfungen ausgelöst. Es ist doch äußerst bedenklich, dass man die Datengrundlage bis heute nicht entscheidend verbessern konnte, was Immobilienpreis- aber auch Wohnkreditdaten betrifft. Es ist bezeichnend, dass die Bundesbank nach wie vor mit geschätzten Daten eines privaten Datenanbieters rechnen muss, weil nichts Besseres vorhanden ist.
Dr. Norbert Hiller: Neben der Regulierung diskutieren einige Ökonomen darüber, ob einkommensschwache Haushalte mehr Unterstützung bei der Wohneigentumsbildung benötigen. Halten Sie finanzielle Hilfen für notwendig?
Prof. Dr. Steffen Sebastian: Ich halte sie weder für notwendig noch für sinnvoll. Zum einen bestehen sowohl theoretische als auch empirische Erkenntnisse seitens der Wissenschaft, dass solche Maßnahmen lediglich die Zahlungsbereitschaft erhöhen und diese von Projektentwicklern abgeschöpft werden. Wir sorgen damit nur für weitere Preissteigerungen. Zum anderen halte ich es für sehr bedenklich, sozial schwache Haushalte in das Wohneigentum zu drängen. Dies schafft gerade bei Haushalten mit einem geringen Einkommen eine Schieflage bei der Vermögensallokation. Ferner hat uns ja die Finanzkrise gelehrt, dass eine politisch gewollte Förderung von Wohneigentum zu dramatischen Fehlentwicklungen führen kann. Natürlich wünscht sich jeder Wohneigentum, doch nicht für alle Haushalte ist dies sinnvoll. Zweifellos muss es bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten geben. Dass heißt aber noch lange nicht, jedem Eigentum zuzusprechen. Ganz im Gegenteil. Die vergleichsweise niedrige Wohneigentumsquote in Deutschland ist genau richtig – nicht zu hoch und nicht zu niedrig.
Dr. Norbert Hiller: Jedoch führen einige Wissenschaftler an, dass Immobilien eine gute Altersvorsorge für einkommensschwache Haushalte darstellen und im Ausland viel höhere Wohneigentumsquoten vorzufinden sind.
Prof. Dr. Steffen Sebastian: Ja, man verweist gerne auf das Ausland, ohne letztlich über die Konsequenzen nachzudenken. Wer träumt nicht vom Eigenheim? Für die allerwenigsten ist das sinnvoll. Selbstgenutztes Wohneigentum macht räumlich und finanziell unflexibel. Ein Großteil des Einkommens und des Vermögens wird in die eigene Immobilie gesteckt und es müssen Rücklagen für Instandhaltungsmaßnahmen gebildet werden. Aus portfoliotheoretischer Sicht würde man eine solche Anlagestrategie sofort ablehnen. Aus psychologischer Sicht mag eine solche Investition sinnvoll sein, da Haushalte mit dem Erwerb von Wohneigentum einen höheren Wert auf Sparen und Konsumverzicht legen. Ich halte es jedoch für sinnvoller, den Menschen beizubringen, wie man richtig für das Alter vorsorgt, anstatt sie über das Vehikel „Wohneigentum“ dazu zu zwingen.
Dr. Norbert Hiller: Vielen Dank für das Gespräch.
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